Flüchtlinge-Vergewaltigungs-Debatte

Debatte! So prangt es sinngemäß auf der Titelseite einer überhaupt nicht lesenswerten Zeitung, die für gewöhnlich so vulgär daherkommt, dass nur ein schamhafter Blick auf die Titelseite beim Brötchenkauf erlaubt scheint. Die tatsächlich stattfindende Debatte ist ebenso schräg. Nach den Festnahmen eines Irakers und eines Afghanen in Vergewaltigungsfällen können wir gar nicht anders als „die Debatte“ mit harten Bandagen anzustoßen. Flüchtlinge, Statistiken, Lügenpresse, Kopftuch, Demokratie, Islam, Balkan, Maghreb, Frauenbild, Erziehung, Burka! Jetzt kommt wirklich alles auf den Tisch, was mit gar nichts zu tun hat.

Etwas gutherziger erscheint in der Rheinischen Post vom 8.12.16 dann ein Pflichtbeitrag, der Besonnenheit in die Debatte einführen soll. Mit Zahlen und Experten.

Wir erfahren, dass es gar keine überproportionalen Sexualdelikte durch Zuwanderer gibt. Wer in letzter Zeit häufiger etwas zum Thema gelesen hat, wird wissen, dass es überhaupt kaum Unterschiede zwischen „Ausländer“ und „Inländer“ gibt, wenn es um Kriminologie geht. Wir erfahren also, dass es überhaupt kein Zuwandererproblem gibt und alles daher natürlich nicht an der Herkunft der Täter liegt. Der Widerspruch deutet sich hier schon an: Denn ohne Problem gibt es auch kein „alles“. Dennoch dürfen wir uns dann von zwei renommierten Experten die Ursache des nicht vorhandenen Problems erläutern lassen. Leider sind diese Erläuterungen nicht weit von der Pegida-/AfD-/Trump-Logik entfernt angesiedelt. Gut gemeint, wird Frau Kaddor als Expertin bemüht, die leider nicht in der Lage ist mehr beizutragen als Parolen, die sich gut vermarkten lassen. Und auch wenn es etwas dreist klingen mag, soll es hier ausnahmsweise auch erlaubt sein, zu behaupten, dass sie ihre Statements generell nicht weit denkt. Böse Zungen behaupten, dass die nur bis zum Buchregal bei Thalia führen. Hilfreich ist sie in dieser Debatte nicht. Denn Flüchtlinge, insbesondere ältere, sind für sie schwer belehrbare Frauenfeinde. Sie weiß nicht, ob man diese noch ändern kann. Die arme Frau ist sichtlich verzweifelt aber hegt Hoffnung für die jüngeren Zuwanderer. Diese bräuchten aber Demokratiekurse. Jemand, der etwas von Demokratie versteht, wird sich fragen: Unterstellt Frau Kaddor den jungen Flüchtlingen etwa geheime Herrschaftsphantasien über Mitteleuropa? Müssen sie deswegen lernen, wie man in Deutschland herrscht? Das ist doch ein fremden- und islamfeindliches Klischee.

Spaß bei Seite und schau da! Die Assoziation funktioniert trotzdem. Es drängt sich doch auf, dass Frau Kaddor nicht unpassender für einen Artikel sein könnte, der eben noch bewiesen hat, dass das grabschende, triebgetriebene Ölauge auf der Jagd nach jungen, deutschen Blondinen ein Mythos ist. Frau Kaddor bestärkt diese Sichtweise vielmehr, wenn auch in blumigeren Worten und verständnisvoller Ursachenanalyse. Diese Verschleierungsmasche ist gar nicht so leicht zu verstehen aber der Modus Operandi vieler Experten. Beispiel: Der liberale Grüne mit Hang zum Haarverlust hat natürlich nicht das Geringste gegen Muslime. Nur mit dem Islam hat er es nicht so. Es ist klar, dass das nur eine Um-Etikettierung ist. Es kommt aber noch besser. Im Artikel der Rheinischen Post geht es mit einem Professor weiter, der erläutert, die Ursache des nicht vorhandenen Problems sei die (islamische) Sexualmoral, die Sex vor der Ehe verbieten würde. Hier würden die Jugendlichen aber auf selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen treffen und das habe „explosives Potenzial“. Nicht die Herkunft sei das Problem, sondern die „kulturelle Prägung“. Ein kleines Gedankenspiel auf dem Niveau der Debatte: Junge Zuwanderer fühlen sich also wegen ihrer prüden Sexualerziehung von emanzipierten Frauen zu Übergriffen auf diese motiviert. Der Kolonialismus und die vierfache Vergewaltigung einer Syrerin durch einen Mitarbeiter einer Notunterkunft lehren uns dann aber auch, dass die europäische Vergewaltigungskultur genau andersherum funktioniert. Die freie Liebe motiviert den Europäer sich an hilfsbedürftigen Frauen zu vergehen. Lassen wir den Blödsinn und kehren zu unserem Professor zurück. Erstmal eine Wiederholung: Welches Problem? Hatten wir nicht empirisch ermittelt, dass es keins gibt? Und dann ein Hinweis: Herkunft und kulturelle Prägung sind ziemlich eng miteinander verknüpft. Schließlich noch eine neue Frage: Was genau ist jetzt der Zusammenhang zwischen Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung von europäischen Frauen und dem islamischen Gebot nur in der Ehe miteinander ehelich zu verkehren? Ich beantworte das: Der Zusammenhang ist das Klischee über die fremdbestimmte muslimische Frau und ihren Fremdbestimmer und sein religiöses Fremdbestimmungssystem. Wäre der Professor Grüner, dann würde er vielleicht folgende Position haben: Er hat natürlich nicht das Geringste gegen Zuwanderer. Nur mit deren vergewaltigungsbegünstigender Kultur und Religion hat er es nicht so.

Frau Kaddor kann man das nicht vorwerfen. Sie ist doch selbst Muslimin oder hat Migrationshintergrund. Sie hat sogar ihren eignen muslimischen Verband, der hart daran arbeitet das kleine Problem von Muslim versus Islam für die Grünen zu lösen. Und dann empört sie sich über die Rechtspopulisten, denen der kulturelle und religiöse Konformismus immer noch nicht reicht. Die sehen das Ganze nämlich eher rassentheoretisch. Verstehen sie? Sie hat als Muslimin natürlich nichts gegen Muslime. Aber mit dem Islam hat sie es auch nicht so. Den Rechten dagegen gefällt weder der Islam noch der Muslim. Das klingt schon fast nach Methodenstreit unter Gleichgesinnten. Natürlich treiben Hassmails von Rechtsaußen dann besonders tiefe Furchen ins Herz. Ihre Betroffenheit über den Hass ihr gegenüber ist dennoch gerechtfertigt. Das ist unmenschlich, was ihr an den Kopf geworfen wird.

Genug Skepsis! Zurück zur Debatte: Wir sehen, dass auch der Bildungsbürger mit nüchternen Fakten bewaffnet nicht über den Gedanken hinweg kommt, dass doch irgendwo in der Identität des Zuwanderers ein Motor für Sexualdelikte stecken muss. Selbst wenn die eigene Statistik das Gegenteil beweist. Die meisten dieser Delikte kommen nicht aus der Fremde. Im Ernst: Bei den meisten dieser Delikte kennen sich Täter und Opfer. Das Bild von der dunkelhäutigen, gewalttätigen Hand auf der zarten, weißen Haut geht uns dennoch einfach nicht aus dem Kopf. Genau hier sollte uns klar werden, warum der Rechtspopulismus immer wieder schubweise an Fahrt gewinnt. Selbst beim „Es-gut-meinen“ schleicht sich in der Mitte der Gesellschaft zwei Absätze nach der Faktenanalyse wieder die intuitive Gewissheit ein, dass es doch eine besondere Zuwandererkriminalität geben muss. Sind ja schließlich Zuwanderer. Natürlich ist diese auch besonders frauenfeindlich gefärbt. Sind ja schließlich „Südländer“.

 

 

Stolze Diskriminierung 

Stolz erzählt die Leitung einer Notunterkunft, dass sie verhindert hätten, dass Gebetsteppiche und Kopftücher an Flüchtlinge verteilt werden. Dadurch vermeide man Konflikte und die Infiltration durch Salafisten. In einer anderen Unterkunft habe man Helfer der Organisation Hasene „entlarvt“. Hasene gehöre zur IGMG und diese werde vom Verfassungsschutz beobachtet.

Aber selbst, wenn du weder Salafist bist noch auf Krawall gebürstet, bekommst du als Bewohnerin der Notunterkunft keine islamische Kleidung und jene, die diese Spenden wollen, dürfen es nicht. Jeder kann alles mögliche bekommen, sofern es gespendet wird. Und jeder kann alles mögliche spenden, sofern es noch getragen werden kann. 

Außer Muslime. 

Das ist das perfekte Beispiel dafür, dass Salafisten und religiöse Konflikte nur Vorwände für religiöse Diskriminierung sind. Weder Gebetsteppiche noch Kopftücher haben ein Konfliktpotenzial. Insgesamt sind „religiöse“ Konflikte in den Notunterkünften meist gar nicht religiös, sondern durch die Lebensumstände bedingt. Aber manch Verantwortlicher macht nur allzugerne aus einem Streit um die Dusche zwischen einem Christen und einem Muslim einen „religiösen“ Konflikt. Denn dann hat man eine schöne Ausrede dafür die Religionsfreiheit faktisch dadurch einzuschränken, dass dafür nötige Textilien im Normalfall nicht erhältlich sind. Mit der Angst vor Salafisten oder Extremisten kann man sich unliebsame Helfer vom Hals schaffen und sich dann auch noch Brüsten, obwohl gerade aufgrund der Religionszugehörigkeit und Vereinszugehörigkeit unter den Helfern selektiert wurde und Kleidung verwährt wurde. Und das alles ohne konkrete Konflikte durch Kopftücher oder Verstöße durch die ausgesperrten Helfer nachzuweisen. 

Das ist dank vier Diskursen möglich, die aus den Fugen des Rationalen geraten sind:

Salafismus/Islamismus

Zur Salafismus-/Islamismusprävention ist fast alles erlaubt. Das Problem ist nur, dass immer mehr – für Muslime alltägliche – Handlungen zum Extrenismus erklärt oder politisiert werden, weil sie sonderbar sind oder besondere Frömmigkeit ausdrücken. Oftmals geht es bei der Diskussion um Dinge, die genauso gut allen Muslimen vorgehalten werden könnten oder sogar allen religiösen Menschen. Die echten Alleinstellungsmerkmale und Gefahren des Salafismus sind bei alltäglichen Entscheidungen kaum relevant, weil es kaum Salafisten und Extremisten gibt. 

Religiöse Konflikte

Die meisten Menschen (auch unter den Flüchtlingen) sind kaum religiös genug, um sich aufgrund der Religion in die Haare zukriegen. Ohnehin war Religion auch historisch gesehen meist nur ein Vorwand für einen Konflikt aus anderen Geünden, wie Reichtum oder Macht. (Anm.: Dazu gibt es hier schon einen Beitrag und einen Reblog)

Das Recht weicht dem Unrecht

Religionsfreiheit ist eigentlich ein sehr starkes Grundrecht und die Ausübung erstmal besonders geschützt. Das heißt, dass natürlich durch „den Stempel Religion“ vieles akzeptabel wird und das hat den guten Grund, dass niemand sich wertend und aus einer Machtposition heraus in die Religionsausübung einmischen soll. Das gilt unabhängig davon, ob diesem Außenstehenden die Form und Intensität der Religionsausübung behagt oder nicht. Unbehagen oder angeblich andere Werte sind kein Grund eine Religionsausübung staatlich einzuschränken. 

Reagiert also jemand mit Unbehagen oder sogar aggressiv auf Religionsausübung, kann es nicht sein, dass dafür der Gläibige bestraft wird, der im Grunde nur sein Recht ausübt. Nicht ihm muss das Beten oder die Bekleidung untersagt werden, sondern den Intoleranten, die freie Religionsausübung als Anlass zu Konflikten nehmen, muss Toleranz näher gebracht werden. Muslimische Kinder sollen schließlich auch zwangsweise in der Schule mit offenherziger Bekleidung konfrontiert werden, um zu lernen, dass so etwas in der Gesellschaft auch existiert. So sollen alle anderen auch die Konfrontation mit leicht sichtbarer Religionsausübung von Muslimen aushalten, weil Muslime gewiss auch in dieser Gesellschaft existieren. 

Neutralität 

Neutralität bedeutet eigentlich nicht, dass der Staat eine Zivilreligion für alle gleichermaßen vorschriebt, sondern dass er allen Religionsgemeinschaften gleichermaßen offen und fördern gegenübersteht. 

Neutralität sollte auch nicht heissen, dass alle Menschen im öffentlichen Dienst aussehen müssen als hätten sie keine Religion, sondern der öffentliche Dienst muss unabhängig von Religion und Weltanschauungen besetzt sein und somit quasi zu einem Abblid der Gesellschaft  werden. In letzter Version wird Neutralität dann durch Repräsentation aller Gesellschaftskreise erreicht statt durch Ausgrenzung aller religiösen Teile. 

Flüchtlings-Unterkunft-Industrie

Mein Vermieter hat ein Gebäude mit einem großen Büro, einer WG und einer Bäckerei samt Parkplatz. Er hat der Kommune angeboten auf dem Parkplatz Container für Flüchtlinge aufzustellen und in den Büros Betreuungsangebote oder auch Leute unterzubringen. Das würde sich für ihn lohnen und er engagiert sich auch privat für Flüchtlinge, sodass er da entgegenkommend ist und auch einen Teil der Einnahmen in Projekte für Flüchtlinge stecken möchte.

Aber: Seitens der Stadt kein Interesse, weil zu klein und weil es keine Wohnung, sondern ein Büro ist. Merkwürdigerweise ist es für die Stadt aber völlig in Ordnung Menschen in Sporthallen und Freizeitanlagen unterzubringen. Dort wird dann 6,00 €/Tag pro Person an den Hallenbetreiber bezahlt. So verdient ein Hallenbetreiber in unserer Stadt in einem Monat   mehr als sonst im halben Jahr. Das Privileg so eine Unterkunft zu betreiben scheint aber nicht jedem zuzukommen. Über Google werdet ihr auf zahlreiche Artikel über das Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften und Intransparenz bei der Auswahl der Vermieter und Betreiber finden.

Ich frage mich, was den überforderten Kommunen mehr kostet: Die Flüchtlinge oder die unverschämten Geschäftsideen anderer.